von Adrian Peters | Jan. 3, 2025 | Allgemein, Internetrecht
Unterlassungspflicht reicht über eigene Inhalte hinaus
Wer als Influencer im Internet aktiv ist, muss nicht nur mit Kritik rechnen, sondern auch darauf achten, keine rechtswidrigen Inhalte zu verbreiten. Enthalten Beiträge Schmähkritik, unwahre Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen, kann der Betroffene Unterlassung verlangen.
Das Landgericht Köln entschied am 20.08.2024 (Az. 33 O 327/24), dass die Unterlassungspflicht nicht bei eigenen Inhalten endet. Sie umfasst auch die Verantwortung für die Weiterverbreitung durch Dritte, wenn diese Inhalte weiterhin online auffindbar sind.
Aufforderung zur Weiterverbreitung rechtswidriger Videos
Im entschiedenen Fall war ein Influencer über längere Zeit Ziel mehrerer herabsetzender Videos, die ein Konkurrent auf Social-Media-Plattformen hochlud. Diese Inhalte drohten seinen Ruf zu schädigen und geschäftliche Kontakte zu beeinträchtigen.
Trotz bereits erlassener einstweiliger Verfügungen forderte der Konkurrent seine Follower auf, die Videos herunterzuladen und weiterzuverbreiten, um gerichtliche Maßnahmen zu umgehen.
LG Köln: Haftung für die Verbreitung durch Dritte
Das Gericht stellte klar: Die Haftung endet nicht mit der Löschung des Originalvideos. Wer zur Weiterverbreitung aufruft oder diese duldet, haftet auch für die Inhalte, die Dritte verbreiten – insbesondere, wenn daraus ein wirtschaftlicher Nutzen für den Unterlassungspflichtigen entsteht.
Der Betroffene kann daher nicht nur die Entfernung der Originalvideos verlangen, sondern auch die Löschung sämtlicher Inhalte, die auf diese Bezug nehmen.
Besonders haftungsbegründendes Verhalten
Im vorliegenden Fall verschärfte sich die Haftung, weil der Beklagte seine Follower aktiv zum Download und zur erneuten Verbreitung aufrief – für den Fall, dass die Videos erneut entfernt würden.
Abgrenzung durch den BGH: Keine Haftung ohne wirtschaftlichen Vorteil
Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 12.07.2018, Az. I ZB 86/17) begrenzte die Unterlassungspflicht in einem anderen Fall.
Demnach muss ein Fernsehsender wie der NDR nur auf Dritte einwirken, wenn deren Handeln einen wirtschaftlichen Vorteil für ihn bringt. Im dortigen Fall lag ein solcher Vorteil nicht vor, da YouTube-Aufrufe in Konkurrenz zur NDR-Mediathek standen und somit keine positive wirtschaftliche Wirkung für den Sender hatten.
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von Adrian Peters | Juni 24, 2022 | Abmahnung
Inhalte löschen, ja! Account deaktivieren, nein?
Bereits im März 2022 hat das OLG Dresden entschieden, dass die Plattform-Betreiber ungewollte Social-Media-Accounts auf Facebook, Instagram & Co nur deaktivieren können, wenn sie vorher eine Abmahnung erteilten. Das gilt auch dann, zuvor bereits mehrere Beiträge des Nutzers oder der Nutzerin gelöscht wurden und auch dann, wenn der Nutzer oder die Nutzerin vorher gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen hat.
Bei rechtlichen Problemen im Bereich Internetrecht schreiben Sie gern an Mail an mail@sbs-legal.de
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Rechtswidrige Inhalte hochgeladen und von Betreiber gelöscht
Der Nutzer hatte auf einer Social-Media-Plattform einige Beiträge hochgeladen, die vom Plattform-Betreiber gelöscht wurden. Die Beiträge beinhalteten mehrere Videos von rechtsextremen Anhängern und Bewegungen. Sodann wurde sein Konto gesperrt und deaktiviert. Die Nutzungsbedingungen wurden Bestandteil des Vertrags, da der Nutzer zu Beginn zugestimmt hatte.
Der Nutzer konnte hiernach weder neue Beiträge posten, noch fremde Beiträge kommentieren oder mit anderen Nutzern texten. Grund hierfür (laut Beklagtenseite) war, dass die Gemeinschaftsstandards nicht eingehalten wurden.
Kläger fordert Betreiber auf Konto „clean“ zu entlasten
Der Kläger war mit der Vorgehensweise nicht einverstanden und forderte die Beklagte sodann auf, das deaktivierte Profil und alle dazugehörigen connections (Verknüpfungen) zu anderen Profilen wiederherzustellen. Außerdem solle die Beklagte dazu verurteilt werden, die auf ihrem Server gespeicherten Daten des Klägers zu berichtigen, indem alle Sperrvermerke und Löschvermerke aus dem Datensatz der Nutzer gelöscht werden.
Alle Zähler, die die einzelnen Verstöße und die damit verbundenen Sperren speichern, sollen vollständig zurückgesetzt werden, damit der Kläger ein „unbelastetes Profil“ hat. Schließlich solle das Gericht die Beklagte auffordern, es zu unterlassen, den Kläger weiterhin zu sperren oder sein Konto zu deaktivieren, ohne vorher über die Sperrung oder Deaktivierung zu informieren. Es soll damit eine Möglichkeit der Äußerung geschaffen werden, damit der anschließend neu beschieden werden kann.
Keine Abmahnung nötig: Verletzung der Gemeinschaftsstandards
Im streitigen Post des Klägers wurde eine rechtsextremistische Bewegung mit gefährlichen Personen und Vereinigungen dargestellt, sodass das OLG Dresden entschied, dass es einer Abmahnung wegen der Schwere der Verstöße nicht bedürfe. „Hassorganisationen“ sollen nach den Gemeinschaftsstandards nicht gefördert oder verbreitet werden. So eine Unterstützung der Identitären werde nicht toleriert.
Verletzung von Grundrechten
Der Kläger hatte früher bereits eine Verlinkung vorgenommen, welche sodann von der Plattform gelöscht wurde. Die Beklagte sieht hierin ein Verhalten und ein Grund für eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung. Jedoch muss bei einer vorübergehenden Deaktivierung oder dauernden Aussetzung oder Kündigung des Kontos eine Abwägung der Grundrechte vorgenommen werden. Dies erfolgt im Wege einer praktischen Konkordanz. Das bedeutet, dass gleichrangige Verfassungsnormen, die miteinander kollidieren, gegeneinander abgewogen werden sollen, damit das eine Grundrecht nicht hinter dem anderen einfach so zurücktritt.
Hierfür hätte der Netzwerk-Betreiber bereits vor der Kündigung noch einige zumutbare Maßnahmen ergreifen müssen, um den Sachverhalt aufzuklären. Dies gilt erst recht, wenn die Kündigung des Nutzerkontos nicht vorübergehend, sondern dauerhaft ist, weil der Nutzer hierbei in seinen Grundrechten viel stärker eingeschränkt wird. In Betracht kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG. Ein vorübergehendes Versetzen in den „read only“ Modus (Nur berechtigt, zu lesen, nicht zu interagieren), ist nicht so eingreifend. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bei Sperren in sozialen Medien spielt auch eine wichtige Rolle, sodass wir hierzu bereits einen Beitrag verfasst haben.
Anspruch des Klägers – Nutzungsvertrag besteht weiterhin
Das OLG Dresden entschied daher, dass der Kläger einen Anspruch auf vollständige Wiederherstellung seines Nutzerkontos gem. §§ 280, 249 des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) habe. Die Kündigung bzw. Deaktivierung des Kontos berührt nicht den Bestand des Nutzungsvertrags. Dieser ist weiterhin gültig, da die Kündigung des Nutzungsvertrages ungültig, somit unwirksam sei. Das Gericht verurteilte somit die Beklagte zur Wiederherstellung des Kontos und zur Zurücksetzung des Zählers, der die Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen festhält. Dieser Entscheidung liegt das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.07.2021, Az. III ZR 179/20, III ZR 192/20zugrunde.