von Adrian Peters | Feb 28, 2024 | Internetrecht
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat in einem kürzlich gefällten Urteil entschieden, dass die Grundsätze zur Haftung von Bewertungsportalen im Internet, die vom Bundesgerichtshof entwickelt wurden, auch auf Arbeitgeber-Bewertungsportale vollständig anwendbar sind. Diese Entscheidung erlaubt es Arbeitgebern, die Löschung einer Bewertung zu verlangen, wenn die Plattformbetreiber nicht in der Lage sind, die Identität der Bewertenden so zu klären, dass deren Authentizität überprüft werden kann.
Fordern der Löschung negativer Bewertungen
Im konkreten Fall verlangte eine Arbeitgeberin, dass zwei negative Bewertungen über ihr Unternehmen von einem Arbeitgeber-Bewertungsportal entfernt werden. Auf solchen Plattformen haben derzeitige und ehemalige Mitarbeiter, Auszubildende sowie Bewerber die Möglichkeit, Unternehmen in verschiedenen Kategorien zu bewerten. Das Portal verzeichnet über 5.300.000 Bewertungen zu mehr als 1.040.000 Arbeitgebern.
Die Antragstellerin bestritt die Existenz eines Kontakts zu den negativen Bewertern und forderte die Plattform zur Löschung der Bewertungen auf. Diese weigerte sich jedoch und verlangte nähere Beweise für die angeblichen falschen Tatsachenbehauptungen. Da der Arbeitgeber keine detaillierten Informationen vorlegte, wurden die Bewertungen nicht gelöscht.
Anonymisierte Informationen für den Arbeitgeber
Im Laufe des Verfahrens kontaktierte die Plattform die bewertenden Personen, forderte Nachweise ihrer Beschäftigung an und leitete diese anonymisiert an die Arbeitgeberin weiter. Das Landgericht Hamburg entschied zunächst, dass diese anonymen Informationen ausreichend seien, um die Authentizität der Bewertungen zu belegen. Das OLG Hamburg hob dieses Urteil jedoch auf und entschied zugunsten des Arbeitgebers.
BGH-Grundsätze gelten auch für Arbeitgeber-Bewertungen
Das OLG Hamburg argumentierte, dass Arbeitgeber ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht gemäß Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 19 Abs. 3 des Grundgesetzes haben. Daraus ergibt sich der Anspruch, die Veröffentlichung von Bewertungen zu unterlassen, die ohne ausreichende Identifizierung des Bewertenden erfolgten. Betreiber von Bewertungsportalen haften zwar nur eingeschränkt, doch müssen sie bei Beschwerden von Arbeitgebern ausreichend sicherstellen, dass die Bewertungen von realen Personen mit einem tatsächlichen Kontakt zum Unternehmen stammen.
Nachvollziehbare Rüge
Eine konkrete Rüge der Bewertung ist bereits dann hinreichend, wenn der Arbeitgeber bestreitet, dass ein tatsächlicher Kontakt zwischen ihm und dem Bewertenden stattgefunden hat. Diese Rüge bleibt so lange bestehen, bis die Plattformbetreiber den Bewertenden so klar identifizieren, dass der Arbeitgeber die Echtheit des Kontakts überprüfen kann.
Kein Rechtsmissbrauch bei häufigen Rügen
Auch wenn ein Arbeitgeber eine Vielzahl an Bewertungen beanstandet, kann dies nicht automatisch als Rechtsmissbrauch angesehen werden. Die Plattformen können Bewertungen enthalten, die nicht auf tatsächlichen Kontakten beruhen. Der Einsatz von spezialisierten Kanzleien, die pauschale Honorare für die Beanstandung von Bewertungen erheben, führt ebenfalls nicht zwangsläufig zu einem Missbrauchsvorwurf.
Nachweise müssen Identifizierung ermöglichen
Die anonymisierten Nachweise, die im Rahmen des Verfahrens übermittelt wurden, reichten laut dem OLG nicht aus, um die Identität der Bewertenden zweifelsfrei festzustellen. Arbeitgeber müssen die Möglichkeit haben, selbst zu überprüfen, ob es sich bei den Bewertenden tatsächlich um Personen handelt, die bei ihnen beschäftigt waren.
Datenschutz kein Grund für fehlende Offenlegung
Die Betreiber von Bewertungsportalen können sich nicht auf den Datenschutz berufen, um die Identität der Bewertenden nicht offenzulegen. Selbst wenn datenschutzrechtliche Bestimmungen die Herausgabe der Identität erschweren, darf dies nicht dazu führen, dass die Bewertung online bleibt, solange dem Arbeitgeber die Möglichkeit der Überprüfung verwehrt wird. Das Geschäftsrisiko, dass Bewertende möglicherweise nicht identifiziert werden können oder wollen, liegt letztlich beim Betreiber des Bewertungsportals.
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von Adrian Peters | Apr 15, 2023 | Allgemein, Internetrecht
Arbeitgeber nutzen soziale Netzwerke, um sich Informationen über ihre Arbeitnehmer zu verschaffen
- Trotz Inkrafttreten der DSGVO gibt es keine ausreichenden Regelungen zum Datenschutz des Arbeitnehmers.
- Eine Mitgliedschaft bei Xing oder LinkedIn kann eine Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses darstellen.
Drei Viertel der deutschen Bevölkerung gehen täglich online. Dabei nutzen die 14-29 Jährigen fast zu 100% täglich das Internet. Die Social-Media-Plattform Instagram weist dabei mit seinen27,5 Millionen monatlichen Nutzern in Deutschland eine besonders große Reichweite auf. Aber auch Facebook mit 24,5 Millionen sowie Xing als das führende berufliche Netzwerk im deutschsprachigen Raum mit 18,5 Millionen Nutzern sind beliebte Social Networks, die täglich mit neuen Daten, Bildern und Informationen gefüllt werden. Ebenso eine neue und beliebte Plattform ist TikTok mit 20,6 Millionen monatlichen Nutzern, auf welcher diese kurze Videos teilen können. Dabei können die sozialen Netzwerke neben der zwischenmenschlichen Interaktion ebenso als Informationsquelle für jedermann über alles und jeden genutzt werden.
Zum Beispiel auch von Arbeitgebern, die sich ohne Weiteres Informationen über ihre Arbeitnehmer verschaffen und Bilder ansehen können. Möglicherweise ziehen sie Rückschlüsse, wegen derer sie den Bewerber nicht einstellen oder die in einem bestehenden Arbeitsverhältnis Streitigkeiten und Rechtsprobleme mit sich bringen, die eine Abmahnung oder gar Kündigung zur Folge haben.
Stellt sich die Frage: Ist der Arbeitgeber überhaupt berechtigt, die Profile seiner Arbeitnehmer anzuschauen, zu kritisieren und von privaten Postings auf das Berufsleben zu schlussfolgern? Oder stellt dies eine Verletzung der Arbeitnehmerrechte dar?
Trotz Inkrafttreten der neuen Datenschutz-Grundverordnung gibt es nach wie vor keine ausreichenden Regelungen zum Datenschutz des Arbeitnehmers. Dieser Zustand wird von vielen Seiten kritisiert. Der Gesetzgeber hat es im Rahmen der umfangreichen Neuerungen im Datenschutz versäumt, verbindliche Regeln für die entscheidenden Probleme des Beschäftigtendatenschutzes zu normieren. Das Bundesdatenschutzgesetz schützt den Arbeitnehmer nicht ausreichend.
Situation vor Begründung des Arbeitsverhältnisses
Eine große Rolle spielen die sozialen Netzwerke bereits vor der Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Bewerberauswahl. Der Grund: Regelmäßig werden Daten des Stellenaspiranten aus Quellen im Internet genutzt. Grundsätzlich regelt das Bundesdatenschutzgesetz hierzu, dass Nachforschungen in den Social-Media-Konten der Bewerber nicht erlaubt sind. Ausnahmsweise ist das jedoch dann zulässig, wenn die erhobenen Daten für die Einstellung des Bewerbers notwendig und entscheidend sind. Dies gilt jedoch nur, wenn die Daten auch relevant sind. Das wären sie beispielsweise dann, wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Richtigkeit des Lebenslaufes hätte. Voraussetzung für eine rechtmäßige Datenerhebung ist jedoch, dass die gesammelten Fotos, Informationen, etc. in einem Zusammenhang mit dem angestrebten Arbeitsverhältnis stehen. Ansonsten ist die Datenerhebung dem Arbeitgeber untersagt. Das Problem am Bundesdatenschutzgesetz ist, dass es den Arbeitnehmer nur formal schützt. Würde der Bewerber eine Absage aufgrund eines dem Arbeitgeber missfallenden Postings erhalten, wäre es im Normalfall nicht nachweisbar, dass sich der potenzielle Arbeitgeber genau deswegen gegen ihn entschieden hat.
Situation im bestehenden Arbeitsverhältnis
Heute gilt: Es stellt keinen Eingriff in die Privatsphäre dar, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern bei Instagram & Co. folgt. Wenn der Angestellte seine Daten, Bilder und Postings öffentlich zugänglich macht, muss ihm bewusst sein, dass nicht nur Freunde und Bekannte von diesen Informationen Kenntnis erhalten. Grundsätzlich ist die Mitgliedschaft in privat genutzten Netzwerken dem Privatleben des Arbeitnehmers zuzuordnen. Von einem pflichtbewussten Beschäftigten kann jedoch erwartet werden, dass er auf offensichtlich unangemessene und besonders polarisierende Darstellungen seiner Person, die in direktem Zusammenhang mit der Beschäftigung zu sehen sind, auf den sozialen Plattformen zum Schutz des Unternehmensimage verzichtet. Je nach Ausmaß der Veröffentlichungen des Arbeitnehmers steht es dem Arbeitgeber frei, angemessene arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen.
Grundsätzlich kommt es immer auch darauf an, was im Arbeitsvertrag geregelt ist. Denn dieser konkretisiert die Pflichten des Arbeitnehmers aber auch das Weisungsrecht der Arbeitsgebers. Denn oft ist heutzutage Social-Media Kern des Jobs und Anweisungen gegenüber beispielsweise einem Social-Media-Manager natürlich erlaubt. Jedoch umfasst die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers nicht die persönliche Lebensgestaltung des Beschäftigten. So können Angestellte nicht dazu verpflichtet werden, Beiträge mit privaten Accounts zu liken oder zu teilen. Auch kann der Arbeitgeber nicht fordern, dass das Unternehmen auf dem privaten Profil erwähnt wird, da dies eine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte darstellen würde.
Sonderfall Xing und LinkedIn
Anders verhält es sich bei berufsorientierten Netzwerken wie zum Beispiel Xing oder LinkedIn. Eine Mitgliedschaft auf diesen Plattformen kann eine Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses darstellen. Allerdings gilt auch hier der Schutz der personenbezogenen Daten, die somit die Grenzen des Weisungsrechts des Arbeitgebers aufzeigen.
Gehören die Pflege und der Auftritt des Unternehmens zum Aufgabenbereich des Arbeitnehmers, hat er sich an die vorgegebenen Inhalte und die Richtlinien des Betriebs zu halten, vorausgesetzt, es gibt welche. Entscheidend ist auch die Frage, ob die in sozialen Netzwerken dokumentierten Äußerungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers, welche den Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen beleidigen, bedrohen oder unwahr sind, auch zu einer Abmahnung oder sogar Kündigung ohne vorherige Abmahnung führen können.
Der Arbeitnehmer darf die strafrechtlichen Grenzen grundsätzlich nicht überschreiten. Dies gilt sowohl für Äußerungen in Social Networks als auch in der realen Welt. Dabei kann er sich auch nicht auf den Schutz seines privaten Accounts berufen, wenn er seine Postings allgemein zugänglich gemacht hat. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erreichen hier ihre Grenzen.
Der Arbeitnehmer kann nicht dazu aufgefordert werden, sein gesamtes Privatleben auf das Ansehen des Arbeitgebers abzustimmen. Dennoch unterliegt er den Grenzen des Rücksichtnahmegebots, welches bei strafrechtlich relevanten Äußerungen überschritten wird. Grundsätzlich ist er zu Verschwiegenheit und Loyalität verpflichtet. Dies gilt nicht erst seit der Erfindung der sozialen Netzwerke. Betriebsgeheimnisse dürfen seit jeher nicht preisgegeben werden. So enthält jeder professionelle Arbeitsvertrag eine Klausel zu den Konsequenzen bei unberechtigter Weitergabe von Betriebsgeheimnissen. Diese Vorschriften wirken ebenso bei der Veröffentlichung solcher Angaben auf sozialen Plattformen. Hier kann der Verstoß des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber noch gravierender sein, da die Äußerung in der Regel eine höhere Reichweite hat.
Empfehlung für Social-Media-Richtlinien
Die sozialen Medien bieten auch im Arbeitsrecht keinen rechtsfreien Raum. Aufgrund der nach wie vor unklaren Rechtslage kann den Arbeitsvertragsparteien jeweils nur empfohlen werden, Maßnahmen zu treffen, die Missverständnissen und Konflikten vorbeugen.
So kann der Arbeitgeber sogenannte Social-Media-Guidelines in den Arbeitsvertrag aufnehmen. Diese Regeln sollten für sämtliche Angehörige des Unternehmens gelten und neben der Positionierung der Firma in sozialen Netzwerken Datenschutzhinweise und auch die Nutzung des Internets am Arbeitsplatz beinhalten. Sollte ein Betriebstrat bestehen, muss dieser der Einführung der Social-Media-Richtlinien zustimmen. Das Unternehmen sollte eindeutig die Vorgaben zum Internetauftritt in Bezug auf Sprache, Inhalt und Form der Präsentation kommunizieren. Arbeitgeber sollten auch auf notwendige Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Mitarbeiter achten. Grundlagen zum Thema allgemeines Persönlichkeitsrecht, Meinungsfreiheit, Urheber- und Markenrecht sowie zu den aktuellen Datenschutzbestimmungen sollten vorhanden sein.
Der Arbeitnehmer sollte sich vor dem Anlegen eines Profils in einem sozialen Netzwerk darüber bewusst werden, dass potenziell jeder allgemein zugängliche Daten einsehen und daraus Rückschlüsse ziehen kann. Somit sollte sich jeder vor der Veröffentlichung überlegen, was er preisgeben möchte. Auf den Plattformen kann die Sichtbarkeit der Daten und Postings explizit eingestellt werden. So kann jeder weitestgehend für sich entscheiden, wie viel er der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte.
Bei weiteren Fragen zu diesem oder anderen Themen kontaktieren Sie gern und jederzeit in unserer Kanzlei SBS LEGAL Rechtsanwälte Schulenberg und Partner.